Wenn man biographisch schreibt,

 

kommt man in Gedanken in eine Zeit, die auch mal unschön war und nicht nur von Erfolg gekrönt. Wenn ich über Turbulenzen schreibe, so sind sie im Nachhinein gar nicht mehr so schlimm wie sie sich anfühlten und teilweise sogar lustig. Aber zwischendurch krachte es und da funktioniert kein amüsanter Filter mehr. Ich bin gerade beim Schreiben an so eine Stelle gekommen.

Ich weiß, dass ich meinem roten Faden anhand meiner Theater-Vita folgen will beim Schreiben.

Ich lache immer, wenn die Leute sagen: ach ja – jetzt macht die auch ihre Therapie und schreibt ihr Leben auf. Das liegt mir fern, wenn ich das wollte, dann würde ich über andere Themen schreiben, die ev. unter die Haut gehen und ev. anstrengend zu lesen sind vom Inhalt. Das mache ich bei biographischen Erlebnissen rund um das Theater aber nicht.

Jetzt eben versuchte ich, einen privaten Einschnitt elegant zu umschiffen. Ja, zumindest im Ansatz ist es mir bereits gelungen, vielleicht traue ich mich noch etwas mehr in die Geschichte zu gehen, aber ich werde mich hüten, in dem Ereignis herumzustochern. Aber eines weiß ich stolz, die Situation hatte ich in den Griff bekommen und gelernt, dass man mit Herausforderungen wächst. Und ich weiß noch etwas: ich habe die ganze Geschichte meisterhaft verdrängt.

Hat also biographisches Schreiben doch etwas mit Therapie zu tun? Und wenn schon – man kann nicht so tun, als würde einen alles kalt lassen und man segelt locker durch das Leben. Künstler sind feinmaschiger strukturiert, sie nehmen so viel mehr wahr, ein Tag kann so aufregend für sie sein, während der gleiche Tag mit den gleichen Ereignissen einen Durchschnittsmenschen langweilen würde und dieser am Abend hofft, vor dem Fernseher seine Aufregung zu erhalten.

Mein Wille, mich beim Schreiben heranzutasten an die Zeit war stärker als meine Psyche und hat mich mitgenommen und ich kam gestern nicht ohne einen kleinen körperlichen Zusammenbruch in Form von Gastritis mit Arzt und Bett und Wärmflasche über diese Stelle. Also doch nicht verarbeitet? Oder jetzt endlich verarbeitet? Ich bin überfragt.

Wie muss es wohl Thomas Bernhard gegangen sein, als er seinen Zyklus der autobiographischen Erzählungen schrieb? Für mich ist er einer der begnadetsten Autoren. Vielleicht würde er lachen und sagen: das verrate ich nicht und denken: Ihr habt doch keine Ahnung. In Wirklichkeit sind wir aufgewühlt, aber wir teilen es ja nicht mit und so merkt ihr es nicht.

Brigitte Horn